In den letzten Jahren hat sich ein Phänomen im Netz breitgemacht, das auf den ersten Blick wie eine schräge Internet-Subkultur wirkt, und auf den zweiten ein beunruhigendes gesellschaftliches Signal sendet. Die sogenannte „Alpha Male“-Bewegung ist auf TikTok, YouTube oder in Podcasts allgegenwärtig. Männer, oft selbsternannte Coaches oder Influencer, verkünden dort, wie „echte Männer“ zu sein haben. Die Botschaft ist schnell erklärt: Männer führen, Frauen folgen. Männer sollen entscheiden, Frauen sich anpassen. Wer diese Regeln nicht beachtet, sei es als Frau mit Ambitionen oder als Mann mit Gefühlen, fällt durch.
Doch woher kommt der Begriff des „Alpha Males“ überhaupt? Ursprünglich stammt der Begriff aus frühen Verhaltensstudien an Wölfen in Gefangenschaft in den 1970er-Jahren. Damals glaubte man, in einem Rudel gebe es einen dominanten „Alpha-Wolf“, der sich mit Aggression durchsetzt. Diese Interpretation wurde jedoch längst widerlegt. Wölfe leben nicht in hierarchischen Gewaltstrukturen, sondern in Familienverbänden. Der sogenannte „Alpha“ ist einfach das Elterntier, kein dominanter Tyrann, sondern ein fürsorglicher Anführer. Die ganze Idee des „Alpha-Mannes“ basiert also auf einem wissenschaftlichen Irrtum, der aus dem Kontext gerissen und zur Legitimation eines rückwärtsgewandten Männlichkeitsbildes umfunktioniert wurde. Sie suggeriert biologische Notwendigkeit, wo es in Wahrheit um kulturell geprägte Macht- und Kontrollfantasien geht.
Kaum eine Figur steht so exemplarisch für diese Bewegung wie Andrew Tate. Der ehemalige Kickboxer und Influencer hat mit seinen frauenverachtenden Aussagen ein Millionenpublikum erreicht, insbesondere junge Männer. In seinen Inhalten propagiert er ein Männlichkeitsbild, das auf Kontrolle, Besitzdenken und wirtschaftlicher Überlegenheit basiert. Frauen werden darin nicht als gleichwertige Menschen, sondern als untergeordnete Wesen dargestellt, die gehorchen und dienen sollen. Wer widerspricht, gilt als schwach oder illoyal. Besonders problematisch: Tate und viele seiner Anhänger rechtfertigen offen sexualisierte Gewalt. Es wird suggeriert, dass sich Männer nehmen dürfen, was sie wollen – auch gegen den Willen der Frau. Vergewaltigung wird damit verharmlost oder sogar als legitime Machtausübung dargestellt.
Andrew Tate selbst saß bereits in Untersuchungshaft und wird derzeit strafrechtlich verfolgt, unter anderem wegen Vergewaltigung, Menschenhandel und der Bildung einer kriminellen Organisation. Trotz Sperrungen auf Plattformen zirkulieren seine Inhalte weiter, über geteilte Videos, Screenshots, Codesprache und Fanseiten. Viele seiner Anhänger fühlen sich dabei unangreifbar. Sie bewegen sich in digitalen Echokammern, in denen Hass als Meinungsfreiheit getarnt wird und jede Kritik mit Abwehrreflexen beantwortet wird
Was besonders beunruhigt: Die Inhalte dieser Szene sind längst nicht mehr nur Randerscheinung. Sie sind salonfähig geworden, oft in harmlos wirkender Verpackung. In Form von Memes, Clips oder Sprüchen schleichen sich diese Ideen in unsere Timelines, auf Schulhöfe, in WhatsApp-Gruppen oder Alltagsgespräche. Damit verändern sie schleichend das gesellschaftliche Klima. Frauen sollen sich wieder „natürlicher“ verhalten, Männer dominant auftreten. Wer abweicht, wird belächelt oder ausgegrenzt. Vielfalt, Gleichberechtigung oder emotionale Offenheit gelten als Schwäche.
Was gefährlich an der „Alpha Male“-Rhetorik ist, zeigt sich nicht nur im Privaten, sondern zunehmend auch im Politischen. Ein bezeichnendes Beispiel dafür ist die Diskussion um die sogenannte „Herdprämie“, die zuletzt auch in Österreich wieder ins Gespräch gebracht wurde. Hinter der Idee, Müttern Geld dafür zu zahlen, dass sie ihre Kinder zu Hause betreuen, statt in die Kita zu geben, steckt ein Rollenbild, das Frauen auf die Familie und den häuslichen Raum beschränkt. Selbstbestimmte Berufstätigkeit oder Karriereambitionen gelten in diesem Modell als zweitrangig oder sogar als gesellschaftsschädlich. Solche Maßnahmen mögen auf den ersten Blick wie ein familienfreundliches Angebot erscheinen, sind jedoch Ausdruck eines tiefsitzenden Misstrauens gegenüber weiblicher Unabhängigkeit. Sie fördern keine Wahlfreiheit, sondern zementieren eine ökonomische Abhängigkeit, die sich über Generationen hinweg auswirkt.
All das geschieht in einer Zeit, in der wir als Gesellschaft neue Wege des Zusammenlebens suchen. Junge Menschen fragen sich, wie sie leben, lieben und arbeiten wollen. Und die „Alpha Male“-Ideologie platzt mit einfachen Antworten in diese Unsicherheit: Männer hier, Frauen da. Alles andere wird abgewertet.
Doch wer heute noch an „Alpha“ glaubt, hält nicht an Stärke fest, sondern an der Vergangenheit. Dieses Männlichkeitsbild basiert nicht auf Selbstbewusstsein, sondern auf Angst vor Gleichberechtigung, vor Kontrollverlust, vor echter Veränderung. Es ist Zeit, diese Muster zu durchbrechen.
Bei SheSkillz Global setzen wir uns genau dafür ein: für eine Arbeitswelt, in der Vielfalt gefördert wird, nicht geschlechtsspezifisch begrenzt. Für eine Gesellschaft, in der Gleichberechtigung kein Trend ist, sondern ein Grundwert. Denn wahre Stärke zeigt sich nicht in Dominanz, sondern in Respekt, Verantwortung und der Fähigkeit zur Veränderung.